Der Preis der Kasseler Bürgerschaft

Das Glas der Vernunft

3.10.2021

Mitteilung an die Medien

Auszeichnung für Kampf gegen Zensur und für Pressefreiheit „Reporter ohne Grenzen“ mit „Glas der Vernunft“ geehrt

Die deutsche Sektion des globalen Netzwerkes Reporter ohne Grenzen ist mit dem Kasseler Bürgerpreis „Das Glas der Vernunft“ ausgezeichnet worden. Die mit 10.000 Euro dotierte, zum 30. Mal verliehene Auszeichnung wurde am heutigen Sonntag (3.10.) im Opernhaus des Kasseler Staatstheaters an Dr. Michael Rediske, Vorstandssprecher von Reporter ohne Grenzen übergeben.

„Wir wollen damit den Mut dieser Reporterinnen und Reporter würdigen, die einen investigativenJournalismus, eine unabhängige Berichterstattung verteidigen und mit ihrem großartigen Engagement schon oft die Welt wachgerüttelt haben“, begründete Bernd Leifeld, Vorsitzender des Vorstandes der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Bürgerpreises, die Entscheidung. Er wies darauf hin, dass die Anfeindung von Journalistinnen und Journalisten und die Veröffentlichung verzerrter Berichte nicht nur ein Problem autoritärer Staaten sei. „Auch bei uns in Deutschland hat es in jüngster Zeit etliche – sogar tätliche – Angriffe auf Medienvertreter gegeben“, sagt Leifeld. Eine freie, unabhängige Presse sei aber eine Voraussetzung, dass Bürger und Bürgerinnen sich eine Meinung bilden, besonnen urteilen und Verantwortung übernehmen könnten. Die ZDF-Journalistin Katrin Eigendorf verwies in ihrer Laudatio in Kassel ebenfalls darauf, dass „der Freiraum für Journalisten immer kleiner“ werde – auch in Europa, in Deutschland. „Gegen die vielfältigen Angriffe auf die Pressefreiheit weltweit, aber auch hierzulande vorzugehen, sie zu benennen und anzuklagen“, sei das große Verdienst von Reporter ohne Grenzen. „Sie dienen damit der Demokratie, die ohne freie Meinungsäußerung nicht bestehen kann“, so Katrin Eigendorf. Sie selbst hatte erst vor kurzem den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis 2021 für ihre Berichterstattung aus Krisenregionen u.a. in Afghanistan und der Ukraine erhalten.

Festrednerin Prof. Dr. Angelika Nußberger erinnerte im Rahmen der Preisverleihung in Kassel daran, dass „nicht selten jene, die hinter die Kulissen der staatlichen Macht zu blicken versuchen und ihre Erkenntnisse publik machen, große Risiken eingehen“. Reporter ohne Grenzen stehe dafür ein, „dass die Namen der Mutigen, die dafür mit ihrer Freiheit oder ihrem Leben büßen müssen, als Stachel im kollektiven Gewissen der demokratischen Gesellschaften präsent bleiben und Journalismus die Wertschätzung erfährt, die ihm gebührt“. Prof. Angelika Nußberger war Richterin und bis 2019 Vizepräsidentin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Als Vertreter des Preisträgers bestätigte Dr. Michael Rediske in Kassel, dass es beim Einsatz für den Schutz von Medienschaffenden in und außerhalb von Krisengebieten, gegen Zensur, gegen Überwachungstechnik und gegen restriktive Mediengesetze Beharrlichkeit und Durchhaltevermögen brauche. Auszeichnungen wie der Kasseler Bürgerpreis „Das Glas der Vernunft“ seien dabei ein besonderer Ansporn.

Reporter ohne Grenzen

Die mit dem Bürgerpreis ausgezeichnete deutsche Sektion der 1985 gegründeten internationalen Organisation Reporters sans frontières ist seit 1994 von Berlin aus aktiv. Sie informiert umgehend und interveniert wirksam, wenn Presse- und Informationsfreiheit in Gefahr sind. Mit ihrem Nothilfereferat gibt sie nicht nur Opfern ein Gesicht, benennt Täter und veröffentlicht Zensur oder den Einsatz von Überwachungstechnik. Sie übernimmt auch Anwaltskosten und ersetzt zerstörte oder beschlagnahmte Ausrüstung und setzt sich dafür ein, dass die Journalistinnen und Journalisten ihre Arbeit fortsetzen können.

Das Glas der Vernunft

Der Bürgerpreis „Glas der Vernunft“ wurde 1990 von nordhessischen Bürgerinnen und Bürgern gestiftet. Anlass war die Öffnung der DDR-Grenze im November 1989. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wurde seither jährlich an Politiker, Künstler, Wissenschaftler, Naturschützer oder auch Menschenrechts- und Hilfsorganisationen vergeben, die sich mit ihrem Wirken den Idealen der Aufklärung – Vernunft, Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Überwindung ideologischer Schranken –– in besonderer Weise verdient gemacht haben. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die 30. Preisverleihung nicht im Oktober 2020, sondern erst in diesem Jahr anberaumt. Symbolisiert wird der Preis durch eine von dem Kasseler Kunstprofessor und documenta-Künstler Karl Oskar Blase gestaltete Skulptur: Ein Glas-Prisma im Oktogon. Das Glas steht für Transparenz und Zerbrechlichkeit, das Prisma für Aufklärung durch wissenschaftliche Analyse, das Oktogon für Vollkommenheit.

Die 1991 gegründete Gesellschaft der Freunde und Förderer des Bürgerpreises hat inzwischen über 400 Mitglieder, und ihr Kreis ist auch geografisch gewachsen: Der Verein hat Mitglieder nicht nur aus Kassel und der Region, sondern aus nahezu allen Bundesländern sowie aus dem Ausland. Durch ihre Beiträge und durch Spenden wird der Preis sowie die Veranstaltung zur Preisverleihung finanziert. Der Vorstand des Vereins sowie die Mitglieder des Kuratoriums arbeiten ehrenamtlich. Erster Preisträger war 1991 der damalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher, der damit für seine Verdienste um die Öffnung der DDR-Grenze geehrt wurde. 2016 wurde Edward Snowden ausgezeichnet: Der US-amerikanischer Whistleblower und ehemalige CIA-Mitarbeiter enthüllte die weltweiten Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten, vor allem der Vereinigten Staaten. Er konnte an dem Festakt in Kassel nicht teilnehmen, weil er international mit Haftbefehl gesucht wird. Sein „Glas der Vernunft“ steht noch im Kasseler Stadtmuseum.

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